Die Leipziger Seifensieder
Von Dr. jur. Carl Wunderlich
Meister Johann Carl Wunderlich zeigt sich im Jahre 1786 als tatkräftiger Vorkämpfer für die Interessen des Seifensieder-Handwerks.
Die Seifensieder mussten dauernd größere Aschenvorräte ansammeln, die trockener Aufbewahrung bedurften. Im Frühjahr 1786 ließ nun der Rat der Stadt zunächst bei dem Seifensieder Schmorl auf der Gerbergasse, dann bei den Seifensiedern Johann Jacob Schultze auf dem Ranstädter Steinweg, Carl Georg Heyne auf dem Grimm’schen Steinweg und Johann Carl Wunderlich in der Ritterstraße Revisionen vornehmen. Dabei wurde bei allen vieren festgestellt, dass sie die Asche auf Aschenböden über ihren Werkstätten aufbewahrten. (Wie aus einer späteren Eingabe Schmorls hervorgeht, scheint ein Nachbar Schmorls aus Gehässigkeit gegen diesen eine Anzeige gemacht zu haben.)
Die vier Meister wurden auf die Ratsstube zitiert und vernommen, weil sie sich eines Verstoßes gegen Paragraph XX der Leipziger Feuerverordnung schuldig gemacht hätten. Während die anderen drei keine Einwände erhoben, gab Meister Carl Wunderlich nicht ohne weiteres nach.
Das Protokoll über seine Vernehmung vor dem juristischen Ratsbeamten Friedrich Wilhelm Kühne, Registrator jurisconsultis ist das längste. Es wurde aus den Ratsbüchern der Stadt Leipzig übertragen und lautet:
Act. die Besichtigung der Feuerstätte betr.
de Ao 1786 fol.bl. Nr. 4
Extract aus dem Berichte wegen Besichtigung der Feuerstätte de Prs. den 10. May 1786
Bei den Seifensiedern Schmorl auf der Gerbergasse und Johann Jacob Schultzen am Ranstädter Steinwege wird Asche auf den Böden, bei Schultze auf dem breternen Giebel liegend, der von Fr. Ernsts Witwe ansößt. Beide versprechen, sich tüchtiger Behälter anzulegen.
"Beym Seifensieder Johann Carl Wunderlich in der Ritterstraße soll die Asche, welche 1 Treppe hoch auf dem breternen Fußboden liegt, von da weg und parterre geschafft werden, wie bey die anderen, an welche bereits dergl. Aussage gethan worden.
Resolutio Citetur"
C C
„Beym Seifensieder Carl Georg Heynen am Grimmschen Steinweg fand sich das nehmliche, welches sogleich abzustellen ihm anbefohlen ward. Ergangen bei der Ratsstube zu Leipzig
(Ratsarchiv L XIV. 134 Blatt 8) *
* Acta, die Seifensieder Christoph Gottlob Schmorl und Consorten wegen Verwahrung ihrer Asche betr. 1786
Leipzig den 7. Juli 1786
Erscheinet auf Erfordern Johann Carl Wunderlich, Bürger und Seifensieder,
Gesteht auf Vorhalten, daß bei letztgehaltener Besichtigung der Feuerstätte in seinem Haus in der Ritterstraße eine Treppe hoch auf einem breternen Fußboden Aschenvorrath angetroffen worden.
Dieses Behältnis, wo er seine Aschenvorräthe habe, sey kein Dachboden, sondern es befände sich über selbigen
noch eine Etage und dann komme erst
der Boden. Es könne die daselbst liegende Asche schlechterdings keine Gefahr bringen, weil sie nicht eher dahin geschaffet wurde als bis sie einige Tage in der Werkstadt gelegen und gehörig untersuchet worden, auch stehe dieses Behältnis zum Aschevorrathe bereits seit 150 Jahren alda ohne einigen Nachteil zu verursachen.
Er könne aber vermögs der Beschaffenheit seines Hauses und wegen Mangel des Raumes in demselben sein Aschebehältnis an keinem anderen Orte anlegen, er wolle aber, um der Obrigkeit seinen Gehorsam zu beweisen, den Fußboden des erwähnten Aschebehältnisses mit Ziegelsteinen ausmauern, die Fugen mit Gypse ausgießen und die Riegel in den Wänden berohren lassen und überhaupt nichts schonen, wodurch völlige Sicherheit bewirket werden könne. Den Fleck in bemeldeten Behältnisse aber, wo die Asche zum Verarbeiten zubereitet, das heisse mit Laugensalze gefeuchtet wurde, brauche er nicht pflastern zu lassen, weil der Boden da so von Salz durchbeizt sey, daß er keineswegs Feuer fangen könne. Übrigens aber hätten die übrigen Seifensieder alle und meistens sogestalte Böden zu ihren Aschenvorräthen, wo sie noch weit mehr Asche aufbewahreten, als er in seinem Behältnisse, daher er auch bitten wolle seine Mitmeister ebenfalls zu Verbesserung ihrer Ascheböden anzuhalten.“
Verbleibet auf Vorlesen hierbey
(gez.) Friedrich Wilhelm Kühne
Regt. jurct.
An demselben Tage wurden noch Johann Jacob Schulze und am 8. Juli 1786 Carl George Heyne vernommen. Sie schlossen sich dem Vorbilde Wunderlich an und beriefen sich darauf, dass auch ihre Vorgänger die Asche auf Ascheböden verwahrt hätten und versprachen Vorkehrungen gegen Gefährdung der Nachbarschaft.
Der Rat belegte aber trotz ihrer Einwendung jeden mit zehn Thalern Geldstrafe, ordnete aber gleichzeitig die Prüfung des Wunderlich‘schen Vorschlages durch den Stadtbaudirektor Dauthe an.
Meister Johann Carl Wunderlich wandte sich darauf an den Advocaten Johann Friedrich Lüttmann und ließ durch diesen eine ausführlichen Regressschrift, eine "gehorsamste Vorstellung", ausarbeiten und von Heyne und Schulze mitunterschreiben.
Diese Eingabe sei im Folgenden wörtlich wiedergegeben, da ihre tatsächlichen Ausführungen vorzüglich klar und hochinteressant sind und zugleich ein Zeugnis für die gründliche fachliche Bildung unseres Meisters bilden.
Die Eingabe, die mit dem "Praesentatum" (Eingangsvermerk) des 9. August 1786 versehen ist, befindet sich in den Akten LXIV, 134 auf Blatt 13 bis 22, sie lautet:
„Magnifici
Hochedelgeborne, Hochedle, Werte
Hochgelahrte und Hochweise,
Insonders Hochzuverehrende Herren,
Wenn Erw. Magnifici und Hochweisen Herren uns endesunterschriebene hiesige Bürger und Seifensieder, wegen derer, bey Gelegenheit der jüngsthin allhier gehaltenen gewöhnlichen Feuerbesichtigung in unseren Häusern, über denen Werkstädten im 1.sten Gestock gefundenen Aschevorräthe, auf die diesfalls, respect. unterm 7. und 8. Juli a.c. gehaltenen Registraturen, Innhalts erteilter Resolution vom 17.den ejurdem mit einer Geldstrafe von
Zehn Thalern
mit Ausschluß aller anderen hiesigen Seifensieder, die ebenso wie wir dergleichen Aschebehältnisse besitzen belegen wollen; so sehen wir uns genöthiget, sowohl dieser uns dictierten Strafe halber, als auch überhaupt in Ansehung derer sogenannten Ascheböden, nachstehende gehorsamste Vorstellung zu überreichen, darinnen die wahre und eigentliche Bewandtnis unserer Aschevorräthe und daß selbige ohne Nachteil unseres Handwerks und Nahrung an keinem anderen Orte als auf dergleichen Behältnissen in der Höhe aufbewahrt werden können, ausführlich anzuzeigen, in solcher Maße aber angeregte Strafe und alles uns sonst Nachteilige von uns abzulehnen.
Wir führen zu solchem Ende nachstehende einleuchtende Gründe und Ursachen mit der uns obliegenden Verehrung und ohne solche im mindesten zu verletzen, gehorsamst an:
Die Aschenvorräthe sind ein wesendliches Stück unseres Handwerks, ohne welche dasselbe niemals bestehen kann, sie selbst gehören dahero sowie deren trockene Aufbewahrung in der Höhe über unseren Werkstätten zu unserer unentbehrlichen Bedürfnis.
Dieses Bedürfnis ist ebenso alt, als das Handwerk selbst ist. Daß aber diese Aschenvorräthe auf breternen Fußböden in der Höhe, bei allen, sowohl hiesigen als auswärtigen Seifensiedern angetroffen werden, darum ist die eigentliche Ursache diese:
Weil die Asche anderergestalt nicht zur Bearbeitung der Seife angewendet und verbraucht werden kann, sie sey denn vollkommen trocken.
Dahero ist ein Seifensieder nicht im Stande, von Asche, welche Nässe und Feuchtigkeit an sich gezogen, Seife von gehöriger Güte und anderen erforderlichen Eigenschaften zum Gebrauch der Publici zu verfertigen und er kann in eben diesem Betrachte, der, von dem Herrn Baudirector Dauthe (1749-1816), und denen geschwornen Baugewerken, jüngsthin gethanen Vorschlag:
Diese Aschevorräthe auf der Erde zwischen feuerfesten Mauern und in Gewölben aufzubewahren, da hierbey der von uns angezogene Umstand der zum Seifensieden schlechterdings erforderlichen Trockenheit der Asche, nicht in Überlegung gezogen worden, ohne unseren Ruin und Niederlegung unseres Handwerks, nicht in Anwendung gebracht worden.
Wir sind im Stande, erforderlichen Falls durch Attestate aus allen sächsischen Städten und auswärtigen Ländern, verweislich darzuthun, daß kein Seifensieder seine Aschenvorräthe an einem anderen Orte aufbewahret und aufbewahren kann, als in dergleichen über deren Werkstätten gelegenen trockenen und der Zugluft ausgesetzten Behältnissen.
Wer diese Asche auf der Erde zwischen Mauern und in Gewölben liegen hat, wird entweder gar keine oder doch gewiß nicht tüchtige und taugliche Seife seinem Mitbürger liefern, denn es ist ohne unser Erinnern bekannt, daß zwischen Mauern und in Gewölben jedesmal Nässe und Feuchtigkeit praedominieret. Wenn wir nun unsere Aschevorräthe in dergleichen ausgemauerte Behältnisse par terre legen wollten, so würde unsere Asche diese Nässe an sich ziehen, die, in derselben befindlichen Salinischen Bestandteile auflösend und fließend machen, als dann aber eine abgestorbene und entgeistete Asche, die zu unserem Endzweck des Seifensiedens nicht gebraucht werden kann, zurücklassen.
Dieses sagen wir nicht aus der einem jedweden Seifensieder beywohnenden Erfahrung
alleine, sondern wir vermögen auch dieses anzuführen durch chymische Attestata zu allem Überfluß zu beweisen.
Hieraus aber kann nunmehro der Schluß sehr leicht gemacht werden;
daß wenn wir die zur Beybehaltung der trockenen Asche notwendig erforderlichen in der Höhe gelegenen Behältnisse, so wie selbige bei uns und allen anderen auswärtigen Seifensiedern angetroffen werden, nicht haben, wir schlechterdings außer Stande gesetzt sind, Seife zu sieden, und daß wenn wir dieses nicht können, wir eo ipso unser Handwerk niederlegen müssen.
So sehr nöthig nun uns die trockene Qualität der Asche ist, ebenso unentbehrlich und unabänderlich sind auch die vom Anfange an in der Höhe befindlich gewesenen und allenthalben noch in der Höhe anzutreffenden Aschen - Behältnisse, weil dieselbe, wenn sie auf der Erde zwischen Mauern lieget, den Handwerkern so fort ausgesetzt und zu brauchbarer Seife weiter nicht geschickt ist.
Die Erfahrung hat uns diese Wahrheit vielfältig gelehret, und wir befinden noch heutiges Tages, bei einigen Seifensiedern, daß, weil sie ihre Asche an hinlänglich trocknen Orten nicht haben können, ihre Seife für das Publicum untauglich sey, und den erforderlichen Nutzen nicht verschaffe, welches denjenigen zu geschehen pfleget, die keine Hausbesitzer sind, sondern sich bloß mit einer dafür gemieteten Gelegenheit behelfen müssen.
Hiernächst ist uns auch sehr nöthig, auf ansehnliche Aschevorräthe zu halten und selbige in harten Wintern vom Lande anhero in die Stadt schaffen zu lassen, weil dieselbe im Sommer und in gelinden Wintern nicht zu haben ist. Hierzu gehören auch Behältnisse, die räumlich seyn müssen, um solche Vorräthe verschiedenen Jahre lang erforderlichen Falls conservieren zu können, und dieses kann an keinem anderen Orte als auf dem von uns beschriebenen geschehen.
Ein Seifensieder, der nach der hiesigen Seifen - consumtion sein Handwerk gehörig betreiben will, muß nach Beschaffenheit der Stärke seiner Nahrung und Kundschafft 100, 200 auch 300 Fuder Asche vorräthig haben, die sich in ein Gewölbe, oder anderes auf der Erde ausgemauertes Behältnis nicht bringen läßet, zumahln es, außer der von uns bereits angeführten Haupt - Ursache denen unserigen eine natürliche Unmöglichkeit ist, in ihren eignen und ganz unschicklichen Häusern, dergleichen Behältnisse, aus Mangel des hierzu erforderlichen Raumes anzulegen.
So haben wir auch endgültige Ursachen, vermögs deren es ebenso unmöglich ist unsere Aschenvorräthe in fremde, nachbarliche Gebäude und Niederlagen zu schaffen, worunter der schon oft angezogene Grund der Nässe und Feuchtigkeit, und der von denen Ascheträgern und Lieferanten, zu veranlassende uns bekannte Unterschleife, Kürtze halber, anhero zu berühren einstweilen hinlänglich seyn wird.
Es wird aber mehrgedachte zu unserem Handwerk nöthige Asche keineswegs (wie gemeiniglich dafür gehalten zu werden scheinet) aus denen Ofen und Feuerstädten derer Brauer, Bäcker und anderer dergleichen Personen warm, frisch oder heiß auf den unseren Aschen - Vorraths - Behältnisse gebracht, sondern vielmehr selbige zur Winterszeit, auf dem Lande eingekauft, daselbst in Säcke gefasset, und insolchermaßen schon längst erkaltet, anhero gefahren, hieraus zuförderst in unseren Werkstädten, gleich der, die einzelnen in hiesiger Stadt durch unsern Tagelöhner zusammengetragen wird, auf der Erde abgeladen, verschiedene Tage liegen gelassen, dann von unsern hierzu bestimmten Arbeitern gesiebet und von allen Kohlen gereinigt, nach dessen Erfolg aber erst auf unser bemeldete unsern Vorraths - Behältnisse gebracht, und man wird bei dieser so accuraten und zum Handwerk selbst erforderlichen Behandlung der Asche nicht ein einziges Beyspiel aufzuweisen in Stande seyn, daß bei einem Seifensieder, auf denen in der Höhe über denen Werkstädten gelegenen Aschen - Vorraths - Plätzen es durch von uns vermittelst der Asche ein Feuer-Schade entstanden sey und es ist fast nicht möglich, zu behaupten, daß bey so benannter Behandlung unserer Asche ein dergleichen Feuer-Schade existieren könne.
Wir führen zur Erläuterung des letzteren noch an, daß wir diejenige Asche, die wir selbst in unseren Feuerstädten entzünden, ebenso wenig als wie jene vom Lande erkaufte und hier zusammengetragene, auf besagte Vorraths-Plätze warm oder heiß schaffen lassen, anermögen wir diese unsere bloß aus weichem, zur guten Asche untauglichen Holtze erzeugte Asche in unserer Werkstädte, zur Austrocknung derer Feuchtigkeit daselbst verstreuen selbige als unkräftig nicht achten und allenfalls in unsere Laugen - Wässer werfen.
Aus vorherstehenden Momentis aber veroffenbart sich zur Genüge, daß wir, da unsere Asche zu keiner Zeit, heiß oder mit Kohle annoch versehen, auf diese unsere Vorraths-Plätze geschaffet wird, sondern vielmehr obengezogenermaßen viele Wochen und Monate erkaltet, bey so bewandter der Sachen Beschaffenheit nach den Paragraph XX der hiesigen Feuerordnung nicht beurteilet und bestrafet werden können, auch ebensowenig eine Widerlegung befürchten dürfen, wenn wir behaupten, daß im angesagten XX. Paragraphen der Feuerordnung bloß von heißer, nur erst aus denen Ofen und Feuerstädten gezogener Asche, die eigentliche Rede, und folglich auch der wahre alleinige Grund, ration und intention dieser Paragraphi sey. Da wir nun, daß dieses von uns Seifensiedern niemals geschehen, noch wegen oben geführter Ursache geschehen kann, sattsam an und ausgeführet; So kann auch in mehrgedachten Paragrapho enthaltene Verboth, auf uns, und die von uns obbeschriebene Weise vorgängig behandelte und zubereitete Asche, nicht applicieret, mithin auch mir und da mir mit dem Nahmen derer Contravenienten nicht zu belegen, mit nicht der geringsten Strafe angesehen werden.
Da gewiß ist, eine jede zuerkannte Strafe, allerst ein gesetzwidriges factum voraussetzt; so ist auch gewiß, daß, da wir ein factum externum contra dictam dispositionem nicht unternommen haben, auch nicht gestrafet werden können, quoniam, cessante legis ratione, etriam ejurdem dispositio cessat.
Unsere im ersten Stock, über unsern Werkstädten befindlichen Aschen-Vorraths-Behältnisse, stehen in hiesiger Stadt, respective, 50. 100. und 150. Jahr, und wir sind in diesem Besitze nebst unseren Vorfahren so undenkliche Zeit über ruhig gelassen worden.
Wir haben solche dergestalt von unseren Vorfahren eingerichtet gefunden und übernommen, und ist hierwider von der Obrigkeit, noch zu keiner Zeit die im besagten XX. Paragrapho der Feuerordnung befindliche disposition daselbig. Vi supra deductorum auf unsere Aschevorräthe mit rechtlichem Grunde nicht appiciret werden mögen, angezogen worden, obschon das nehmliche im allegirten XX. Paragrapho enthaltene Aschen-Verboth in denen ältesten Exemplaren der hiesigen Feuerordnung von denen Jahren 1616, 1649, 1659 und so fort befindlich ist.
Da aller Nachforschung ohngeachtet, kein Exempel aufgewiesen werden kann, daß seit der Erbauung und Einrichtung derer hiesigen Aschen-Behältnisse laut derer vorhandenen Urkunden, wie obgedacht, bis auf 150. Jahre zurückzusetzen ist, bey einem Seifensieder durch seine in obiger Maße zubereitete und behandelte Asche, eine einzige Feuers-Gefahr entstanden; so ergibt sich daraus von selbsten, daß diese unsere im ersten Stock, über unseren Werkstädten gelegte Asche niemahls schädlich gewesen, mithin auch solche nicht erst in unseren Zeiten werden kann, da wir diese Vorraths-Plätze so gelassen haben, wie sie bey unseren Vorfahren gewesen sind und damit sowohl als mit der Asche selbst eben noch so im jetzigen Zustand schalten, walten und gebahren, wie jene in alten Zeiten gethan.
Zudem können wir einen merkwürdigen Umstand, der für uns und unsere Sache das Wort redet nicht unberühret lassen. Die Erfahrung und gemachte Proben haben uns gelehret, daß die hölzernen Fußböden und Balken, auf welchen und woran eine Zeitlang Asche gelegen, von denen aus der Asche ausgegangenen, und sich in besagtes Holzwerck insinuierter und einverleibter Salinischen Bestandteile, dergestalt davon feuerfeste sind, daß dergleichen tingierte Fußböden und Balken, ein lebendiges Feuer sichtlich und mit Verwunderung aushalten und von demselben nicht angegriffen werden. Ein dießfalls mit einem in der Maße tingierten Brete anzustellender Versuch wird jedesmahl diese von uns angeführte Wahrheit erhärten.
Diesen allen aber ohngeachtet und obschon uns, in Ansehung der von uns vorherstehendermaßen, defendirten Sicherheit und Unschädlichkeit unserer in der Höhe, über denen Werkstädten im ersten Stock, habenden Aschen-Behältnisse etwas, mit rechtlichem Grund nicht zur Last gelegt werden kann; So haben wir uns dennoch in Eingangs angezogenen Registraturen vom 7. und 8.ten Juli a.c. erkläret, daß wir, obgleich solches, in Rücksicht derer von uns in antea deductis, an und ausgeführten Gründen und der nur ietzo zuletzt angezogenen besonderen Umstandes, so unnöthig als überflüssig ist, die Fußböden unserer Aschen -Behältnisse, mit Ziegelsteinen belegen, die Fugen mit Gypse ausgießen und die Riegel in denen Wänden bewahren lassen wollen.
Erw. Magnificenz und hochw. Herren aber wollen wir bey so bewandten Umständen und in Ansehung derer von uns in dieser gehorsamsten Vorstellung an- und ausgeführten erheblichen und einleuchtenden Gründen und Ursachen gehorsamst bitten:
Dieselben wollen uns mit der Eingangs vermeldeten Strafe derer Zehn Thaler zu verschonen, uns in Betracht der von uns, auf die von dem Herrn Bau-Direktor Dauthe und denen gelehrsamen Baugewerken in Vorschlag gebrachte vermeintlichen Verbesserung unserer Asche - Behältnisse abzweckenden Erklärung, dero Hochgeneigte Resolution, wissend zu machen, übrigens aber uns, in dem Besitze, unserer von unseren Vorfahren in obbeschriebener maße überkommenen Aschen - Behältnisse noch fernerhin zu lassen gütigst geruhen.
Wir verfassen für diese hohe Obrigkeitliche Verfügung mit der vollkommensten Ehrfurcht lebenslang
Erw. Magnificenz und
Hochw. Herren
gehorsamste
Leipzig am 7.August 1786
gez. Johann Carl Wunderlich, Bürger und Seifensieder
conc: Adv. Johann Friedrich Lüttmann
gez. Carl Georg Heyne
gez. Johann Jacob Schulze
Dieser Klaren und überzeugenden "Vorstellung", die uns jetzt gleichzeitig einen tiefen Einblick in den damaligen Stand der Technik tun lässt, hat sich der "Hochgelehrte und Hochweise" Rat offenbar nicht verschließen können. Allein gänzlich nachzugeben und den
Strafbescheid aufzuheben, konnte er sich, offenbar um sich keine Blöße geben zu müssen, nicht verstehen. Er resolvierte zunächst auf der eingereichten Schrift:
„Es bleibt bei den bereits gefaßten Resolutionen und den diktierten Strafen."
Neben dieser Resolution befindet sich eine Bleistiftnotiz:
„Bey den übrigen Seifensiedern ebenfalls visitieren und den gethanen Vorschlag wegen
Belegung mit Ziegelsteinen und übergießen mit Gyps zu überlegen."
Am 26. August 1786 sind dann Meister Johann Carl Wunderlich, Meister Carl Georg Heyne und Johann Jacob Schulze auf der Ratsstube erschienen und haben erklärt, sie wollten als gehorsame Bürger hiermit ihre Strafen berichtigen, aber „anbey in Rücksicht auf die in ihrem überreichten Schreiben angeführten Gründe und Entschuldigungen um "einen ergiebigen Remiß gehorsamst bitten" und „um gemessene Resolution in Ansehung der künftigen Einrichtung ihrer Aschenbehältnisse geziemend ansuchen. Vornächst dieselben jeder 10 Thaler erleget".
Darauf resolviert der Rat: „An der Strafe sind 2/3 zu erlassen und alle drei Meister erhalten auf der Stelle 20 Thaler, jeder 6 Thaler 16 Groschen gegen Quittung zurück." Sofort danach findet sich die weitere Resolution: „Es ist jedem noch ein Altschock zurückzugeben und Meister Wunderlich der das offenbar erwirkt hat, quittiert für sich und Heyne für 1 Thaler 16 Groschen, Johann Jacob Schulze über 20 Groschen." Es sind also drei Viertel der Strafe erlassen worden. Den Dreien ist dann am 26. August 1786 noch bedeutet worden, „daß sie in ihren Ascheböden die Fußböden auspflastern, die Fugen mit Gyps ausgießen, die Säulen und Riegel aus den Wänden herausnehmen und tüchtige Brandmauern statt der Riegelwände machen sollen“.
Der Stadtbaudirektor Johann Carl Friedrich Dauthe hatte am 15. August 1786 sämtliche Seifensiedereien in Augenschein genommen, bei den Meistern Johann Gottlob Schneider im Brühl, Christian Jacob Schüßler auf der Gerbergasse, Salomon Friedrich Schmidt auf der Nikolaistraße die Asche auf den Böden, bei den Meistern Johann Christoph Viersig auf dem Cautze, Johann George Gräfe auf der Gerbergasse und Johann Gottfried Töpfer in den Drei Königen auf der Erde, bei den Meistern Christian Gottlob Schindler auf der Nikolaistraße und Paul Gotthelf Köhler auf dem Grimm’schen Steinweg im Keller gefunden. Die übrigen Meister aber, schreibt er, legten keine Asche ein, weil sie keine Seife sieden und sich bloß mit der Fertigung der Lichter abgäben.
Stadtbaudirektor Dauthe tritt dem Wunderlich‘schen Vorschlage, daß die Böden mit Ziegeln zu belegen und mit Gyps auszugießen bey, geht aber über den Vorschlage die Balken in den Wänden zu verputzen hinaus und verlangt deren Ersetzung durch Steine.“ Im Übrigen aber sagt er, „wenn die Asche niemals ungesiebt auf die Böden geschüttet würde, so daß die Gefahr, daß noch glühende Kohlen darunter wären, nicht bestünde, so brauche man keine weiteren Vorsichtsmaßregeln.“
Darauf sind die Meister Schneider, Schmidt und Schüßler noch vernommen worden. Alle drei haben sich die Wunderlich‘schen Einwendungen zu eigen gemacht. Der Rat hat auch ihnen dieselben Strafen diktiert, aber in der Resolution gleich von vornherein gesagt, wenn sie darum bitten würden „mag ihnen zu 3/4 Remiß angedeihen". Alle drei haben darauf zunächst jeder 10 Thaler Strafe bezahlt, aber auf der Stelle drei Viertel davon zurückerhalten.
©W.Schubert